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Die Welt ist kein Mosaik, das aus so und
soviel Wahrheitsatomen zusammengesetzt ist, die man, jedes für sich,
herausgreifen, begutachten und in Schubladen verteilen kann. Sondern was der
Einfachheit halber 'die Welt' genannt wird, ist ein ununterbrochener Fluß von
Geschehnissen in einem komplexen Feld von wechselseitigen
Bedingungsverhältnissen. Dabei erweist sich das, was prima facie als reale
Bedingung erschien, der kritischen Reflexion als eine Projektion dessen,
was vorher ("a priori") schon eine (logische) 'Hinsicht', ein Ab-Sicht des
Betrachters gewesen war: Nur in gewissen Hinsichten, und daher nur in
bestimmten realen Bedingungsverhält- nissen ('Gesetzen') 'zeigen sich' gewisse
Geschehnisse; doch nicht in allen: Sie mögen mehreren Bedingungsebe- nen
angehören, aber allen nicht.
So gibt es eine Bedingungsebene namens
Chemie, eine namens Physik, namens Ethologie, namens Mathema- tik… Und alle
stehen untereinander "irgendwie" selber wieder in einem Bedingungsverhältnis...
Eine pazifische Koralle etwa "kommt vor" in Biologie, Chemie, Physik,
Ethologie, sogar in Mathematik, wenn man will. Aber in Musik kommt sie nicht vor,
und in Nationalökonomie nur mit Hilfe von Sophismen. Allerdings sind Biologie,
Chemie, Physik nicht die "Etagen", in denen die tatsächliche Existenz der
Koralle tatsächlich "stattfindet", sondern sie sind die Blickwinkel, unter
denen ein abstrahierend-reflektierender Verstand die Koralle anschauen mag –
oder eben nicht.
Das
gilt für alle Wissenszweige ebenso wie für Kants Kategorientafel.
Also, ein Geschehen "zeigt sich" in dem
einen Bedingungsverhältnis (unter der einen Kategorie) so, in dem andern anders;
und in einem dritten gar nicht.
Wo die Menschen ihre apriorischen 'Hinsichten' herhaben – ob ihrerseits ex sponte 'gesetzt' oder aus "sinnlichen
Eindrücken" empirisch angesammelt –, diese Frage "erscheint" ihrerseits in
logischer Hinsicht (philosophisch) gar nicht, sondern nur
empirisch-psychologisch – als Streit zwischen Assoziations- und
Gestaltpsychologie (der freilich selber logisch zu entscheiden ist).
Ausschlaggebend ist nur, dass 'es' diese
Hinsichten 'gibt', und dass ihre logisch-regelmäßige Handhabung die Gewähr für
die Vernünftigkeit unseres Denkens ist. Dank ihrer 'gibt es' vernünftiges
Denken: Sie "konstituieren" es. Aber da es nun einmal 'ist', reicht ihm die
Faktizität der Kategorien, die es konstituieren,
nicht aus. Es will die Gründe sehen. Will sehen, dass sie nicht (historisch)
zufällig sind (und also auch anders sein könnten), sondern (genetisch)
notwendig. Wenn es unter den faktisch gegebenen Kategorien nicht einen
genetischen, einen Beding- ungszusammenhang auffinden kann – einen 'letzten',
d. h. ersten Grund -, dann müsste es sich selber als unbe- gründet, und damit als
ungültig erkennen.
Die
Suche nach einem letzten Grund heißt Wissenschaftslehre.
Das heißt, 'eigentlich'
ist sie zirkulär: Sie setzt die Auffindbarkeit des Grundes schon voraus. Denn 'gäbe es' einen solchen Grund nicht, dann könnte sie ihn nicht nur nicht
finden; sondern sie könnte nicht einmal finden, dass sie ihn nicht finden kann,
und so verlöre die Suche ihr Wonach.
Wer sich also auf die Suche macht, der muß
sinnvollerweise voraussetzen, dass es hier etwas zu finden gibt. Seine Suche
beginnt dann folgendermaßen: Da das Wissen einen Grund haben muß (weil ich
anders gar nicht suchen könnte), muß er… da oder dort zu finden sein.
Logisch korrekt muss die Aufgabe also so
formuliert werden: Wenn unser Wissen einen Grund hat, dann muss er sich 'in'
unserm Wissen als dessen immanente Prämisse auffinden lassen. Daß aber unser
Wissen einen Grund hat, das soll so sein, weil jedes Wort sonst hinfällig wäre.
21. 3. 1993
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