Donnerstag, 16. August 2018

Alle Philosophie ist Sprachkritik.

birgitH, pixelio.de
 
Alle Philosophie ist 'Sprachkritik'. (Allerdings nicht im Sinne Mauthners.
Wittgenstein, Tractatus N° 4.0031

Wenn sie Kritik sein soll und nicht bloß Krittelei, dann muss sie einen Gesichtspunkt wählen, unter dem sie kriti- siert; ein Kriterium, an dem sie prüft. Bei der Sprache könnte das ihre kommunikative Leistung sein oder ihre Aussagekraft: nennen wir es: Wahrheitsfunktion; wohl wissend, dass es sich nur um subjektive Wahrhaftigkeit handeln kann. Zum einen: Kann, und unter welchen Bedingungen kann die Sprache mitteilen, was gemeint ist? Das betrifft ihre technische Leistung, nämlich für die Gemeinschaft, deren Zusammenhang durch die Sprache vermittelt ist. Zum andern: Kann die Sprache aussagen, was gemeint ist? Das ist eine Performanz, die über das Technische hinausgeht, denn ihr Prius ist das, was gemeint ist; und was gemeint werden könnte unabhängig von seiner sprachlichen Form.

Wittgenstein beginnt als Logiker, und auch als Sprachkritiker geht es ihm um die Genauigkeit dessen, was mit- geteilt wird, nicht aber um das, was mitgeteilt wird. Das war stattdessen das Thema Mauthners. Wenn die Spra- che gar nicht fassen kann, was 'eigentlich' ausgesagt werden soll, kann sie es schon gar nicht mitteilen; darüber muss man sich dann nicht mehr den Kopf zerbrechen. Dass in der Realität des Sprachverkehrs eine Menge von Ungefähr den diskursiven Fortgang und daher Mitteilung überhaupt erst möglich  macht, verweist darauf, dass das Gemeinte zuerst bildhaft angeschaut werden musste, bevor es in das konventionelle Rezeptakel des Begriffs gefügt werden konnte. Vom Standpunkt der Mitteilung wäre die präzise Fassung des Rezeptakels wohl wünschens- wert. Aber nicht vom Standpunkt dessen, was mitgeteilt werden soll. Dem passt die bildhafte Form besser. 

Jede sprachliche Mitteilung grenzt irgendwo an Kunst. Künstlich wirkt sie in den exakten Wissenschaften oft darum, weil sie das Künstlerische absichtlich unterdrücken - und gerade sein Fehlen hervorheben, was dasselbe hintenrum ist. Indes, in den exakten Wissenschaften kommt es gerade darauf an, dass ein Glied so perfekt wie möglich an das andere anschließt: Wo das den Sinngehalt einschränkt, wird man eben ein paar Zwischenglieder einfügen, weil auf Schönheit kein Wert gelegt wird. Die kommt eventuell wieder in Frage, wo es um die Anschau- ung (sic) des im Diskurs auseinandergelegten Ganzen geht.

Das aber ist eine wissenschaftstechnische Frage und keine philosophische. Sie betrifft die Mitteilung und nicht den Gehalt.

Das philosophische Problem liegt ganz woanders: Wie kann man von dem reden, was vor und unterhalb der sprachlichen Form liegt, ohne sich selber der sprachlichen Form zu bedienen? Das war das meta-logische Pro- blem, dem Fichte die Wissenschaftslehre gewidmet hat. Die gegebene Sprache - das Sprachspiel, sagte einer - hat in ihren Begriffen ein allerfassendes Instrumentarium geschaffen, die einander alle wechselseitig bedeuten. Justie- rungen sind da nur immanent möglich. Doch die Frage Was? und Woher? müsste in den bildhaften Urgrund des Vorstellens selbst hinabtauchen. Den Punkt, von dem aus sie die Rekonstruktion dann in Angriff nimmt, kann sie sich nicht frei aussuchen. Sie muss ihn auf suchen nach Regeln, die sie rechtfertigen kann. 

Die Wissenschaftslehre hat das unternommen. Ob und wieweit es ihr gelungen ist, ist ein anderes Thema. Aber Wittgenstein hat es nicht einmal versucht. Er blieb meilenweit davon entfernt.





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