Donnerstag, 27. Dezember 2018
Subjekt und Wille.
In jedem Urteile steckt der ganze, volle, tiefe Glaube an Subjekt und Prädikat oder an Ursache und Wirkung (nämlich als die Behauptung, daß jede Wirkung Tätigkeit sei und daß jede Tätigkeit einen Täter voraussetze); und dieser letztere Glaube ist sogar nur ein Einzelfall des ersteren, so daß als Grundglaube der Glaube übrig- bleibt: es gibt Subjekte, alles, was geschieht, verhält sich prädikativ zu irgendwelchem Subjekte.
Ich bemerke etwas und suche nach einem Grund dafür: das heißt ursprünglich: ich suche nach einer Absicht dar- in und vor allem nach einem, der Absicht hat, nach einem Subjekt, einem Täter: alles Geschehen ein Tun - ehe- mals sah man in allem Geschehen Absichten, dies ist unsere älteste Gewohnheit.
Hat das Tier sie auch? Ist es, als Lebendiges, nicht auch auf die Interpretation nach sich angewiesen? – Die Fra- ge »warum?« ist immer die Frage nach der causa finalis, nach einem »Wozu?« Von einem »Sinn der causa efficiens« haben wir nichts: hier hat Hume recht, die Gewohnheit (aber nicht nur die des Individuums!) läßt uns erwarten, daß ein gewisser oft beobachteter Vorgang auf den andern folgt: weiter nichts! Was uns die außerordentliche Festigkeit des Glaubens an Kausalität gibt, ist nicht die große Gewohnheit des Hintereinanders von Vorgängen, sondern unsre Unfähigkeit, ein Geschehen anders interpretieren zu können als ein Geschehen aus Absichten.
Es ist der Glaube an das Lebendige und Denkende als an das einzig Wirkende – an den Willen, die Absicht –, es ist der Glaube, daß alles Geschehen ein Tun sei, daß alles Tun einen Täter voraussetze, es ist der Glaube an das »Subjekt«. Sollte dieser Glaube an den Subjekt- und Prädikat-Begriff nicht eine große Dummheit sein?
Frage: ist die Absicht Ursache eines Geschehens? Oder ist auch das Illusion? Ist sie nicht das Geschehen selbst?
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Nietzsche, Aus dem Nachlass (XII)
Nota. - Er ist Kritiker nur an der Oberfläche. Er denkt arglos unter dogmatischen Voraussetzungen. Er redet von dem, was ist, so, als wüsste er, was das bedeutet. Immerhin fällt ihm auf, dass das anmaßend ist. Doch statt zurückzutreten und einen neuen Anlauf zu nehmen, begnügt er sich mit Mosern.
Er will sich bloß Schopenhauers Willen vom Hals schaffen, der auf Erden immer ein wirkendes Subjekt vor- aussetzt, und ein solches wäre verantwortlich - seinem Pastor, und das kann N. nicht zugeben.
Doch ein Subjekt "ist" nicht und "hat" keinen Willen. Ein Ich 'setzt sich', indem es sich zu wollen entschließt. Das ist ihm nicht auferlegt von einem, der Rechenschaft fordert, das tut es oder tut es nicht aus Freiheit. Verantwor- ten muss es sich wohl, aber vor sich selbst. Nach welchem Maßstab, muss es aus Freiheit wiederum selber wäh- len. Das ist schon was anderes als sein lutherisches "Subjekt", das alles auf seinen Weg mitbekommen hat und damit als Haushälter "wirken" darf.
JE
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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