Dauerthema
der antik-scholastischen Philosophie: Was ist das principium individuationis:
-die Form, oder
-der
Stoff?! [siehe v. Bracken, "Eckhart/Fichte"]
-
Wenn Stoff als "Bestimmbarkeit" genommen wird, ist die forma (eídos)
das Bestimmende, ihn also aus der Indifferenz heraus-hebende, -erlesende,
-individuierende.
-
Doch da die Form eben dasjenige ist, welches die Bestimmungen möglich macht;
also die sinnvollen Aus- sagen; also dasjenige "an" den
"Dingen", welches sie den andern "Dingen" kommensurabel
macht; also das- jenige, welches 'dieses' Ding, singulum, zur Bedeutung bringt; also "für Anderes"
[wahrnehmbar] macht... - also ist die Form das Die-Einzelnen-Verallgemeinernde;
ist also das Prinzip der Allgemeinheit, nicht der Individuation.
Das
Quidproquo besteht natürlich wieder nur in der Vermengung ontologischer mit
gnoseologischen Frage- stellungen. Die "Formen" - eídoi, logoi - stehen
ja, als Gemachte-Gemeinte (nicht Gegeben-Genommene) von vornherein
untereinander in Zusammenhang; sei's diskursiv, als Begriffe, in logischer
"Wechselbestimmung"; sei's als 'Bilder' im Kaleidoskop* der 'Welt';
sind also Facta/Ficta, die instrumentell, intentionell, absichtsvoll an...
"die Phänomene" herangetragen werden. Das 'Phänomen' ist hier das
Datum, "das, was" im Bewußtseins- akt "gemeint" ist: gemeint als
dieses, nämlich im Unterschied, d.h. bestimmten Gegensatz zu den andern. D.h.
die 'Andern', ihrerseits längst gemeint-bedeutete 'Dinge', sind dem aktuellen
Bewußtseinsakt stets schon vorausgesetzt als das "Feld", dem das'Dieses'
zuzuordnen ist; das Koordinatensystem, in das 'Dieses' als Topos einzusetzen
ist. Die Bestimmung, Setzung des Bestimmbaren (="Stoff") als Dieses,
die Individuation des Indifferent-Unbestimmten, ist ipso facto
Verallgemeinerung...
"Stoff"
ist in den reellen Vorgängen des Bewußtseins immer nur: "Erleben"
(Dilthey), "Geschehen" (Lotze). Weil aber ein Erlebnis-Schatz, ein
Fundus von schon-als-bedeutsam-festgehaltenem Geschehen den je aktuellen
Bewußtseinsakten immer schon zugrunde liegt; nicht nur als - passive - "Folie",
sondern, dynamisch, auch als Motiv: im Kaleidoskop der "Welt" rufen
"Löcher" nach "Erfüllung", horror vacui der
Einbildungskraft; darum ist der je aktuelle Bewußtseinsakt als ein Erlesen des Dieses
aus der informen Flut der Bilder gleichzeitig und uno actu Isolieren/Vereinzeln
und logisch Beziehen auf etwas Allgemeines.
*)
modernes Kunstwort aus kálos, schön, eídos, Bild/Form, skopein, schauen:
"Kaleidoskop" ist das Instrument, Medium; nicht das Bild selbst.
aus e. Notizbuch, 15. 10. 94
Nachtrag. - Es ist in Wahrheit eine vor-philosophische, meta-philosophische, über-rationale, geschmackliche, ästhetische* Frage: Was ist gültiger - das Einzelne oder das Allgemeine? Das Wirkliche oder das Wahre? Es ist der Unterschied zwischen den Entelechien des Aristoteles und Platos Ideen. Aus Vernunftgründen kann man in dieser Sache nichts besorgen. Es ist eine Vor-Entscheidung; nämlich eine, bevor es Gründe gibt. Sie ist selber Grund-legend.
Nur lässt sich auf diesen Grund nicht bauen. Es handelt sich nicht um Sachverhalte, sondern um Anschauungs- weisen. Die Anschauungsweisen folgen Absichten. Absichten kann man nicht ex ante begründen, sondern nur ex post rechtfertigen. Es ist das Ergebnis, das zählt, nicht der Grund.
*) ex negativo: Entschließe ich mich, eine Sache ästhetisch aufzufassen, so entschließe ich mich, auf Verallgemei- nerung zu verzichten. Da wir die Begriffe aber inzwischen gewohnheitsmäßig gebrauchen, sit das gar nicht so einfach.
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