Dienstag, 12. Februar 2019

Ästhetik der Geselligkeit.

Rubens, Bauerntanz

Zu den natürlichen Bedürfnissen der Menschen gehören außer den physischen - Hunger, Durst, Frost - auch das Bedürfnis nach Geselligkeit. Solange Arbeit (in schwindendem Maß) auch gesellig geschieht, hat sie einen Wert, der über ihren bloß physischen Erhaltungswert hinausweist (und ist nicht nur Mühsal). Aber Geselligkeit ist anders als Hunger, Durst, Frost nicht mit einem immanenten Maß da, sondern um ihrer selbst willen. Sie hat ästhetischen Charakter.

In dem Maße, wie in der Arbeit die Erhaltungsfunktion auf Kosten der Geselligkeit immer mehr an Boden ge- winnt, verbindet sich jene umso enger mit dem Ästhetischen (Tanz!). Geselligkeit wird Feierabend, "Erholung" = Reproduktion des Arbeitsvermögens. Wird vom Erhaltungswert absorbiert, unterworfen, mediatisiert. Und nun wiederum schwindet das Ästhetische in den privaten Winkel: Es wird absolut. 

aus e. Notizbuch, 17. 10. 08


Nota. - Es fehlt noch die dritte Strophe: In dem Maße, wie die Arbeiten mehr dem Überflüssigen als dem Not- wendigen gelten, weil damit ebensogut Geld verdient wird, wird Geselligkeit ihrerseits zu einem marktgängigen Produkt. Unterhaltungsindustrie sagt der Snob - als ob die Große Kunst vergangener Epochen gratis zustande- gekommen wäre. Richtig ist allerdings, dass das Ästhetische in der materiellen Produktion selbst immer größeres Ge- wicht gewinnt. Design folgt nicht mehr nur der Funktion, sondern nimmt sie ins Schlepptau. In die materielle Produktion finden zugleich künstlerische Elemente immer mehr Eingang

Das Ästhetische und mit ihm die künstlerische Produktion hat sich verselbständigt im Gegensatz zur Ökonomie. Es müsste nicht wundern, wenn es seine Selbstständigkeit wieder verlöre in dem Maß, wie der Gegensatz verblasst. Doch geht die Geschichte nicht nach logischen oder semantischen Gesichtspunkten voran, sie hat ja eigene Quel- len. Dass Kunst und Ästhetik ihren Sog auf die Arbeit im Gegenteil verstärken, ist ebenso denkbar. 
JE

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