Mittwoch, 7. November 2018

Was Künstlern und Wissenschaftlern gemeinsam ist.

 
Amphitheater Bosra                                                                                                                                             aus Goethes Farbenlehre.

Ob man für die Wissenschaft wie für die Kunst ein besonderes eingeborenes Talent braucht, ist höchst zwei- felhaft. Zum Ethos der Wissenschaft gehört die Annahme, dass man mit Gewissenhaftigkeit beim Sammeln des Materials und bei Genauigkeit in der Befolgung der geltenden Regeln und natürlich mit etwas Fleiß schon zu Ergebnissen kommen werde, die immerhin der Überprüfung durch die Kollegen standhalten. 

Ob Genie ausreicht, um diese Bedingungen im Einzelfall auch mal zu überspringen? Eine wahre Einsicht kann einem im Traum kommen, ganz ohne Begabung. Dass sie wahr ist, kann der Traum nicht bezeugen: Das muss die Wissenschaft schon erst noch prüfen.

Ebenso wenig wie ein Kunstwerk lässt sich ein Stück Wissenschaft individuell bestimmen. Kunst und Wissen- schaft sind en gros regulative Instanzen im Lebenszusammenhang einer Kultur, en détail sind sie die spezifi- sche Tätigkeit eines Berufsstandes. Der steht in Konkurrenz und Austausch miteinander; rechtfertigen und bewähren muss er sich auf längere Sicht vor einer Öffentlichkeit, die ihm einen Markt bietet. Wissenschaftler oder Künstler ist keiner für sich allein, sondern wenn, dann für den Rest der Welt.

Das ist es zugleich, was gegebenenfalls ihr Selbstvertrauen rechtfertigt: Als Angehörige eines streitbaren Stan- des weiß sich ein jeder unter ständiger Beobachtung durch seinesgleichen, und wo er sich vergreift, werden die andern schon laut schreien, bevor er es selber merkt. Wissenschaftlich  werden sie durch Teilhabe an einer un- ablässig prozessierenden Kritik. 

Und nicht durch eine zünftige Ausbildung noch durch genaues Befolgen der zünftigen Regeln. Die wird man wohl brauchen, um der Kritik der Andern standzuhalten. Doch nicht auf sie kommt es an, sondern eben - auf die prozessierende Kritik.

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