Sonntag, 10. September 2017

Der Goffinkakadu und die erste geschichtliche Tat.



Die 'erste geschichtliche Tat' sei die Erfindung eines 'neuen Bedürfnisses' gewesen, schrieben Marx und Engels in der Deutschen Ideologie. Die erste historische Tat war die, durch die der Mensch aus dem blinden Naturgesetz heraus- und in seine eigene Geschichte eingetreten ist; und durch die er sich zum Menschen gemacht hat. Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen hieß dann das seinerzeit populärste Pamphlet von Friedrich Engels. Indes, begonnen wird wohl die 'Menschwerdung des Affen' vor der ersten historischen Tat haben, sie hat jene ja erst möglich gemacht. 

Also doch: das Denken. 

'Intelligenz' ist noch ein zu vager Begriff, sie muss ja inzwischen auch vielen Tieren zugeschrieben werden. Doch das Überlegen im Besonderen, das regelmäßige planende Vergleichen der Zwecke mit den Möglichkeiten, das macht ja wohl das Besondere menschlicher Wachheit aus; es ermöglicht Arbeitsteilung und macht ipso facto elaborierte Kommunikation notwendig; komplexe Sozialstrukturen, regelmäßigen Perspektivenwechsel. Reflexion, Verstand. Zugrunde liegt immer der Gedanke: Der Mensch muss arbeiten, um zu leben; und so kommen wir zurück zu Engels.

Das stellt der Goffinkakadu nun in Frage. Er tut, was wohl im Besondern menschlichen Verstand auszeichnet: er kalkuliert. 'Wenn ich dies tue, kostet es mich das und ich gewinne jenes; wenn ich jenes tue...' usw. - und er berechnet den größten Nutzen bei geringstem Aufwand. Aber arbeiten tut er nicht.

'Irgendwas tun' muss wohl auch der Kakadu, wenn er sich ernähren will. Und zwar mal dies, mal das, und meistens irgendwie dasselbe, was die Natur ihm angeerbt hat: Er liest auf, was er findet. Wenn wir auch das Arbeit nennen wollten, verlöre das Wort jeden Sinn, denn dann 'arbeiten' alle Lebewesen. Das Spezifische unserer Arbeit ist aber, dass die Menschen die Bedingungen, unter denen es etwas zu findet gibt, selber herstellen müssen. Bedingungen selber herstellen... - so etwas tun die Kakadus hier im Labor auch. Aber nicht, weil sie sich ernähren müssen - das besorgt das Laborpersonal -, sondern weil sie Muße haben, sich um Bonbons zu bemühen. So ist es in der freien Natur nicht, und da benutzen sie auch keine Werkzeuge: Es geht auch ohne.

Die Menschen haben sich aus freien Stücken eine Lebensweise zugelegt, in der sie die Bedingungen ihrer Ernährung selber schaffen müssen. Dass sie kalkulieren können und das Geschick zum Werkzeuggebrauch haben, kann schwerlich die hinreichende Voraussetzung dafür sein, denn all das können die Kakadus auch. Mit andern Worten, das bloße Kalkül und technisch-ökonomischer Verstand sind es nicht, die 'den Affen zum Menschen werden' ließen. Die gehören wohl zu den notwendigen Bedingungen. Aber es muss noch etwas hinzugekommen sein.



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