Mittwoch, 30. August 2017

Der Vernunftdogmatiker, I: Woher und wozu.



Dass das, was ist, ist, haben wir nicht selbstgemacht. Es ist schlechterdings da, wieso und wozu kann uns vor der Hand gleichgültig sein. Denn das, was es ist, haben wir allerdings selber bestimmt und bestimmen es un- entwegt neu: was es für uns sein soll, was man daraus machen kann, als was es uns gilt. Das ist ein praktische Frage.

Einem isolierten Individuum hat sie sich in der Geschichte nie gestellt. Defoes Robinson hatte den Zweckbegriff aus der Zivilisation mitgebracht, und wenn er gelegentlich einem Ding, das er noch nicht kannte, einen neuen Zweck anerfunden hat, so hatte er die Idee, Dinge an ihren Zwecken zu erkennen, doch nicht selber erfinden müssen.


Die Menschen und ihre Vorläufer in der Gattungsgeschichte konnten nicht leben, ohne zusammenzuleben. Dinge fanden sie nicht als Einzelne vor, sondern gemeinsam. Die Frage nach ihren Zwecken stellte sich nicht jedem allein, sondern allen zusammen. Oder auch: Als geltend bewährt haben sich diejenigen Zwecke, die sie teilten, die andern gingen wieder verloren. So entstanden Begriffe von den Dingen.


Richtig ist wohl, dass die Zwecke, die unsere Vorläufer erfanden, sich hauptsächlich aufs nackte Überleben bezogen haben dürften - auf ihren Erhaltungswert für die Individuen in ihren Lebensgesgemeinschaften. Materielle Zwecke teilen sich regelmäßiger mit, ideelle Zwecke bleiben länger individuell. Aber das ist ein gradueller Unterschied, der mit der Höhe der Kultur abnimmt; im Prinzip ist ein Zweck ein Zweck.


Historisch ist es zwar eine bedeutsame Frage, wie immaterielle und daher fernerliegende Zwecke für Homo sapiens eine so viel mächtigere Kraft gewinnen konnten als in allen andern Gattungen. Aber dass es so ist, ist ein Faktum, das aller Anthropologie richtungweisend zugrundeliegt. Denn umstritten sind die Zwecke nur, wenn und weil sie geteilt werden sollen. 

Es ist diese historische Gegebenheit, die wir seit gut drei Jahrhunderten als Vernunft bezeichnen. Sie aktu- alisiert sich alltäglich im Streit.


 





Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

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