Samstag, 12. August 2017

Der Endzweck ist Resultat.



...das Handeln mehrerer Vernunftwesen ist eine einzige durch Freiheit bestimmte Kette. Die ganze Vernunft ist nur ein einziges Handeln. Ein Individuum fängt an, ein anderes greift ein und so fort, und so wird der ganze Vernunftzweck durch unendlich viele bearbeitet und ist das Resultat von der Einwirkung aller. 

Es ist dies keine Kette physischer Notwendigkeit, weil von Vernunftwesen die Rede ist. Die Kette geht immer in Sprüngen, das Folgende ist immer durchs Vorher//gehende bedingt; aber dadurch nicht bestimmt und wirk- lich gemacht (vide Sittenlehre). Die Freiheit besteht darin, dass aus allen Möglichen nur ein Teil an die Kette an- geschlossen werde. 
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in: J. G. Fichte,
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 232f



Die Wissenschaftslehre erzählt nicht nach, 'wie es wirklich ist', sondern stellt dar, was in der Vorstellung wirk- lich vorkommt und weshalb das notwendig ist. Hier steht also sinngemäß: Alles Reden von Vernunft hat einen intelligiblen Sinn nur, wenn man sie so auffasst. Wird der Weg fortgegangen, so wird es eine Kette sein. Aber sie wird aus Freiheit fortgewirkt. Wenn wir uns also (in der Abstraktion) denken, dass sie einmal an ein Ende kä- me, so wäre es nicht durch physische Notwendigkeit als Folge seiner Ursache, sondern durch Freiheit als Zweck gesetzt: 'bedingt, aber nicht bestimmt'. Die Freiheit hätte an jedem Punkt auch andere Möglichkeiten wählen und andere Teile anfügen können. Der 'Endzweck' wäre ein anderer geworden.

Wenn Hans Vaihinger die Wissenschaftslehre nova methodo gekannt hätte, wären ihm die Augen übergegangen und er hätte auf seine dickleibige Philosophie des Als Ob achselzuckend verzichtet. Und wenn Fichte seinen Weg nova methodo 'zuende gegangen' wäre, hätte er sich nie auf die dogmatische Auffassung eines Realabsoluten und eines gegebenen Endzwecks der Vernunft einlassen können.

JE 



 

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