Samstag, 17. September 2016

A priori, a posteriori.


Kathrin Brechbühler, pixelio.de

Wirkliches Wissen ist natürlich immer a posteriori. Das hat Kant nicht bestritten. Er hat seine Unterscheidung nicht naturalistisch gemeint - so als gäbe es ein biologisch verankertes Vermögen der "apriorischen" und eines der "aposteriorischen" Erkenntnis.* Das wirkliche, empirisch konstatierbare 'Erkennen' ist immer nur Eines; hic et nunc. Aber in dem Moment, in dem ein Erkenntnisakt stattfindet und sich auf ein vorfindliches Etwas bezieht, sind im Subjekt immer schon eine ganze Reihe von Prämissen angesammelt, die Form und Gehalt der neuen Erkenntnis präfigurieren. Das ist die sozusagen 'phänomenale' Ausgangslage.

Die "transzendentale" Fragestellung ist rein kritisch: Wissen kann nicht zustande kommen, indem 'Information' aus dem Objekt quasi wie ein Postpaket "abgeht" und im Subjekt wie in einem Behältnis "ankommt". Dann müsste man sich das Objekt als einen 'Absender' vorstellen - und also selber als ein Subjekt. Subjekti(vi)tät muss also als das Prioritäre - das, was a priori 'da' ist - vorgestellt werden. 'Objektität' ist also das, was sekundär - a posteriori - 'hinzu' kommt. Dann müsste man in der Realgeschichte des empirisch vorfindlichen Wissens gedank- lich alles Objektive nach und nach 'abtragen' können und am Ende auf das 'rein Subjektive' stoßen: dasjenige, dem keine Begegnung mit Objektivem voraus gegangen ist, sondern selbst das eigentlich Agile (=dasjenige, von dem die 'Bewegung' aus ging) war. Was jeweils als 'a priori' und was als 'a posteriori' erscheint, hängt von der Reflexionsebene ab.

Am untersten Ende der Analyse, auf der "transzendentalen" Ebene, wo von allem Gegenständlichen schon abstrahiert wurde, bleiben der analysierenden Intelligenz nur die "Vermögen" übrig; aber nicht als etwas, das man (als 'gegenständlich') angetroffen hat (und im psychologischen Test nachweislich ist), sondern als etwas, das man schlechterdings annehmen muss: denn da 'Erkenntnis' offenkundig geschieht, muss man notwendiger Weise annehmen, dass es ein 'Vermögen' dafür gab!

(Bei Kant sind es drei; die 'reine', theoretische und die 'praktische' Vernunft sowie die Urteilskraft. Die Frage, ob es sich vielleicht nur um verschiedene Modi, verschiedene 'Seiten' des einen Grundvermögens handelt, hat er sich zwar gestellt, aber bearbeitet hat er sie nicht mehr.)

aus e. online-Forum; in 2007

*) und schon gar nicht, als gäbe es 'von Natur' zwei Klassen von Gegenständen: die apriorischen und die aposteriorischen....


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