Mittwoch, 6. August 2014

Wahr ist ein Satz...


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Wahr ist ein Satz, der ohne Bedingung gilt. Ein Satz über Tatsächliches gilt nur unter der Bedingung, dass tausenderlei sachliche Bedingungen gegeben sind. 'Die Sonne  scheint' ist nur wahr, wenn die Sonne scheint. Ein Satz über Tatsächliches, der zugleich alle Bedingungen angibt, unter denen er gilt, ist unbedingt wahr. Allerdings ist er im Grenzfall tautologisch bis absurd.

So verfahren die (nomothetischen) Naturwissenschaften. Dass die Bedingungen restlos genannt werden, besorgt das Protokoll der Versuchsanordnung. Die ebenfalls in die Versuchsanordnung und umso mehr in die Auswertung eingehenden unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten - alias Paradigmen - werden selbstverständlich nicht mit ausgesprochen; sonst wären sie nicht selbstverständlich. So erweisen sich manche naturwissenschaftliche Befunde mit der Zeit als nur ein bisschen wahr.

Ein idiographischer Satz aus den sog. Geisteswissenschaften kann die Bedingungen seiner Geltung nicht aussprechen: Sie sind nicht alle bekannt. Die Naturwissenschaften legen ihrer Forschung die Annahme von Gesetzen zugrunde. Ein Jedes ist Wirkung einer oder vieler Ursachen; diese müssten sie aufsagen können. Die idiographischen Disziplinen setzen die Wechselwirkung lebender Individuen voraus. Diese lassen sich nicht kausal darstellen. Die Wahrheit in den idiographischen Disziplinen ist 'lediglich' eine pragmatische: indem ihre Aussagen (um/zu statt weil) praktische Schlussfolgerungen erlauben, die sich ihrerseits bewähren können (oder nicht). Wenn also die kritische Arbeit eines Rezensenten dem Dichter die Augen öffnet und zu einem großen Wurf anregt; oder wenn die Lehren aus einem historischen Ereignis die Politik befähigt,... (ach je). Aber ob oder ob nicht, wird immer wieder dem Meinungskampf unterliegen, der sich seinerseits nur - pragmatisch entscheiden lässt, durch Bewähren oder Scheitern. Die Wahrheiten der idiographischen Fächer hängen gewissermaßen in der Luft. Darum lässt sich auf ihnen auch nicht aufbauen wie in den Naturwissenschaften: Eine Akkumulation geprüften Wissens findet in ihnen nicht statt, man fängt irgendwie immer von vorne an. Da hat es die Intuition dann leichter als das logische Argument - sie bewährt sich öfter.

20. Oktober 2013

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