Montag, 30. Juni 2014

Zählen und messen und werten und schätzen.


S. Hofschlaeger, pixelio.de

"[Dieser Gedanke ... setzt als selbstverständlich voraus, daß Qualität und Quantität Grundeigenschaften der wirklichen Naturvorgänge sind. Das ist aber eine durchaus oberflächliche Anschauung.] In unseren Erlebnissen sind uns nur qualitative Unterschiede gegeben. Den Unterschied zwischen 'Groß' und 'Klein' erleben wir zunächst nicht anders als den zwischen rot und blau. Erst durch die Zuordnung von Zahlen zu den Erlebnissen wird ein System von Zustandsgrößen geschaffen, zwischen denen quantitative Beziehungen bestehen." Philipp Frank, Das Kausalgesetz und seine Grenzen (Wien 1932)*, **

Erst die Arbeitsgesellschaft hat Messen und Kombinieren so in den Vordergrund treten lassen, daß der eigentlich-poietische 'Anteil' des Geistes - der eigentlich sein Grund ist - als ein uneigentliches Residuum in den Hintergrund tritt. Vollends mit dem Beginn der industriellen Kultur, wo Fragen nach dem "Wesen" (quale) im Zuge der 'Entmythologisierung' und 'Entzauberung der Welt' als "metaphysisch" direkt abgewiesen werden. Das postmoderne "Anything goes" ist nur der Punkt auf dem i. Es ist überhaupt nicht "post". Es verweist die Frage nach den Qualitäten endgültig unter die Spielereien; freilich - wenn sie "funktionieren", why not?

Dieses "Residuum" wird 'bestimmt' (ex negativo: als das uneigentlich-Überschüssige) als "das ästhetische Erleben".

Daher die Unmöglichkeit, das Ästhetische positiv zu "definieren": Es ist eben nicht "positiv", sondern negativ bestimmt: als Ausschluß von dem, was für die Welt der Arbeit "nicht nötig" ist. Im Laufe der Entfaltung der Arbeitsteilung und galoppierend seit der Industrialisierung wurde das immer mehr. 

Nota. Die Bereitschaft, Bedeutungen zu erfinden über das unbedingt Nötige hinaus - Abenteuer, Spiel, Risiko - ist stammesgeschichtlich auf der männlichen Seite der Gattung stärker ausgeprägt; weshalb der Umstand, daß allein diejenige Gattung, wo das Männliche einen relativ autonomen 'Stand' erworben hat, diejenige war, die den Sprung in die Welt gewagt hat. Und weshalb die 'ästhetischen' Tendenzen bis auf den heutigen Tag im männlichen Teil stärker ausgeprägt sind als im weiblichen. (Sollte sich das künftig ändern, tant mieux.) 

*) neu Ffm. 1988, S. 155

aus e. Notizbuch,14. 7. 2005
 
**) Ob ich reichlich zu essen habe oder nicht genug, ist der Qualitätsunterschied von satt und hungrig.

 

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