Freitag, 29. November 2013

Idealismus und Rationalismus.


Helene Souza, pixelio.de

aus einer online-Diskussion, in der die deutschen Romantiker als "Antirationalisten" dargestellt worden waren:

...Sicher waren die Romantiker weder Materialisten noch Rationalisten. Aber weder ist Idealismus der Gegensatz zum Materialismus, noch ist Irrationalismus der Gegensatz zum Rationalismus.

Der Reihe nach. Materialismus ist ein Antwort auf die Frage nach der Beschaffenheit der Welt: Ist sie eines geistigen oder eines gegenständlichen, "materiellen" Ursprungs? Das ist eine ontologische Frage. Die eine Antwort ist der Materialismus. Die andere Antwort ist der Spiritualismus.

Idealismus heißt die eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Wissens: Stammt es aus den Dingen, oder stammt es aus der Vorstellung? Es ist die erkentnislogische Grundfrage. Der Idealismus (von gr. ídein=sehen) leitet das Wissen aus einem ursprünglichen Akt eines Subjekts ab, das sich absichtsvoll den Dingen zuwendet und von ihnen etwas will. Die andere Antwort - Das Wissen nimmt seinen Anfang in den Mitteilungen, die uns die Dinge selber machen - ist der Realismus (von lat. res=das Ding).

Die erkenntnislogische Frage hat unmittelbar nichts mit der ontologischen Frage zu tun. Aber mittelbar. Ein Spiritualist muß Realist sein. Wenn das Wesen der Dinge ein Geistiges ist, kann die Wahrnehmung  der Subjekte nur dessen "Vernehmen" sein und kein setzender Akt. Und in der Tat war der Begründer allen Realismus, Plato, ein Spiritualist. Die "wahren Dinge" nannte er "Ideen" (von gr. eídos=Bild), die sich den Menschen, wenn auch in entstellter Form, "mitteilen".

Ein Idealist kann kein Materialist sein.* Aber auch kein Spiritualist: Er muß die ontologische Fragestellung als buchstäblich Gegenstands-los ansehen. Wenn das Wissen seinen Ursprung in einer ursprünglichen Handlung des Subjekts hat, kann von einem "Ding an sich" kein Gedanke, sondern höchstens noch ein Gerede sein. Denn aus den Dingen an sich (oder der "Welt" oder der "Natur") wird man allenfalls immer das herauslesen können, was man klammheimlich vorher in sie hineinprojiziert hat. Egal, ob man es dann "Materie" nennt oder "Leben" oder "Organismus"...

Der Begründer des modernen, "kritischen" Idealismus war Kant, den Fichte, der Vordenker der "frühen" Romantik, vollenden wollte (weil jener selbst nicht mehr dazu gekommen war). Kants Kritiken gehen gegen den "Dogmatismus". Darunter versteht er alle Philosophie, die glaubt, aus der Analyse und der Kombination bloßer Begriffe wahre Einsichten gewinnen zu können. Und alle Philosophen vor ihm waren so verfahren. Namentlich die Rationalisten der Aufklärungsepoche. Die waren Realisten. Die Logik in unserm Denken galt ihnen als "Ausdruck" und Niederschlag des Kausalitätsgesetzes in der Natur; während Kant umgekehrt die Kausalitäts- vorstellung als ein Konstrukt unserer Einbildungskraft darstellt.

Materialisten und Rationalisten waren die Romantiker also bestimmt nicht. Sie waren Idealisten, aber eben kritische Idealisten, und sofern sich Kritik allezeit nur der Vernunft bedienen kann, ist sie eo ipso rational. ...

Die Quantenphysik kann zu philosophischen Fragen unmittelbar gar nichts beitragen. Sie hat lediglich das Dogma der Kausalität in den Naturwissenschaften gebrochen. Auf die "Natur" können sich die philosophischen Rationalisten nun nicht mehr berufen. Aber das hätten sie - siehe oben - ohnehin nicht gesollt.

aus e. online-Forum, 22. 9. 07

 
*) Allerdings wird er sich, sobald er Naturwissenschaft betreibt, eines strikten Positivismus befleißigen: Nichts lässt er gelten, als was sich in Raum und Zeit unseren Sinnen nachweisen lässt. Und das könnte man in pragmatischer Hinsicht "materialistisch" nennen.

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