Dienstag, 20. September 2016

Über Geschmack lässt sich streiten.


W. Busch

Kant hat eine völlig neue Art zu denken in die Welt gesetzt, da hatte er genug zu tun; all den jahrhundertealten scholastischen Ballast abzustreifen, den er in der Wolff-Baumgarten-Schule mitbekommen hatte, fehlte ihm die Zeit. Oder anders - wenn sein Herangehen an das Erkenntnisvermögen insgesamt auch ein phänomenologi- sches ist, hängt er in der Durchführung immer noch der Unsitte an, vorab Begriffe zu definieren und hernach Erkenntnis daraus zu konstruieren. 

Etwa so: Weil ästhethische Urteile mitgeteilt werden, müssen sie auf Erkenntnis ausgegangen sein, denn nur Erkenntnis lässt sich mitteilen. Ergo muss den Geschmacksurteilen etwas Allgemeingültiges zukommen. - Wenn aber nun gerade dies das Paradox der ästhetischen Urteile wäre: dass sie so mitgeteilt werden, als ob sie allgemeine Geltung beanspruchen könnten, obwohl sie doch aus rein privatem Erleben stammen - ? Weshalb man über Geschmack sehr wohl streiten kann, nur nicht argumentieren, weil eben die Begriffe fehlen.
 

Man könnte sagen: Im Streit über Geschmacksurteile findet ein freies Spiel der Vorstellungskräfte statt, das eben deshalb ein Spiel ist, weil die Erkenntnisvermögen dabei immer nur so tun, als ob... Das wäre nicht bloß der natürliche Hang der Menschen zur Geselligkeit, sondern die Eigenlogik der Geschmacksurteile: dass sie danach drängen, mitgeteilt zu werden, weil sie erst ganz sie selber sind, sobald sie Junge werfen. 

25. 10. 14

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